Rebellengebiet, ja oder nein? So genau kann uns das niemand sagen. Oder wollen sie uns einfach nicht verängstigen? Wir sollten später mehr erfahren.

Von Rafael

Schweine, Hühner und kleine Kinder zwischen einfachsten Bambusbehausungen. Die Bewohner der Bergdörfer, durch die wir wandern, beobachten uns mit Skepsis, nicht das gewohnte Lächeln, das wir von den Ortschaften am Meer kennen. Hier rauf kommt man nur zu Fuss oder mit einem der kleinen, struppigen Inselpferde.

Doch was machen wir überhaupt hier oben auf über 1000 Metern über Meer? Wir befinden uns auf einer wunderbaren Wanderung zum Mount Apo, mit fast 3000 Metern der höchste Berg der Philippinen.

Wir wollen nicht bis hinauf auf den Gipfel, dafür bräuchten wir etwa vier Tage, wir haben aber nur deren zwei. Wir wollen eigentlich nur etwas wandern im Gebiet rund um den Berg. Es ist nicht ganz leicht, dies den Leuten hier zu erklären, und braucht etwas mehr Geduld, als uns lieb ist. Zum Glück haben wir Marlon, der das Reisebüro Hager Travel & Tours führt. Er ist der Sohn von Emil, dem ehemaligen Mitarbeiter von Olivia, dessen Familie wir in und um die Stadt Davao besuchen. Nun, Marlon hat uns eine Tour organisiert, die genau unseren Wünschen entspricht.

Um sechs Uhr in der Früh holt uns Marlon mit dem Minibus ab, sein Bruder Ken und dessen Freundin warten schon im Minibus. Unterwegs stossen noch unser Fahrer und unser Guide dazu, schlussendlich sind wir sieben Personen. Später sind wir mit dem Träger und dem Pferd, das wir später auch noch «chartern», schon fast eine Miniexpedition.

Gegen vier Stunden dauert die Fahrt über Stock und Stein, immer weiter hinauf ins Gebirge. Eigentlich bräuchten wir ein 4x4-Fahrzeug, dies haben wir aber nicht. Doch Ben, unser Fahrer, entpuppt sich als wahrer Zauberer hinter dem Lenkrad. Manchmal müssen wir jedoch aussteigen, da er steilen und steinigen Stellen nur ohne uns an Bord bewältigen kann. Hoffentlich regnet es nicht, sonst verwandelt sich die Piste in einen Sturzbach, und wir bleiben hier oben stecken.

Unser erstes Ziel ist der Tudaya-Wasserfall. Vorbei an Farnbäumen und überdimensionalen Zimmerpflanzen marschieren wir auf abenteuerlichem Pfad bergab tief hinein in den Dschungel. Dann stehen wir vor dem Wasserfall, 150 Meter stürzt er über eine lianenbewachsene überhängende Felswand zu uns herunter. Ist es möglich, unter die herabstürzenden Wassermassen zu stehen, ohne erschlagen zu werden? Marlon und ich probieren es aus, es geht. Allerdings muss ich gestehen, dass das Wasser unten regelrecht zerstäubt, und es sich somit eher nach Monsunregen als nach Wasserwalze anfühlt. Eine Dusche mitten im Dschungel, gibt es was Erfrischenderes?

Proviant, Zelte, Schlafsäcke, alles wir auf ein Pferd gepackt. Es geht bergauf durch Gemüsefelder und Bananenplantagen. Nach nur etwa einer halben Stunde der erste Stop in einem Dorf. Wir müssen warten, unser Pferd wird bereits wieder entladen, ab jetzt sollen Träger das Gepäck übernehmen. Ich wundere mich, das Pferd war doch gut, zumal uns von weiter oben ständig schwer beladene Saumpferde entgegenkommen. Es wird diskutiert, unser Träger telefoniert mit dem Handy. Wir verstehen nichts, und plötzlich heisst es weitergehen.

Nach weiteren gut 30 Minuten erreichen wir unser Nachtlager, ein winziges Bergdorf am Fusse des Mount Apo. Ein richtiges Haus mit gemauerten Wänden und Wellblechdach, Olivia und ich bekommen eines der zwei Schlafzimmer, die Bewohner weichen für die Nacht in die Küche aus. Wir zahlen dafür umgerechnet etwa 6.50 Franken, was etwa einem Tageslohn auf den Philippinen entspricht.

Um 18 Uhr geht die Sonne unter, die Dorfbewohner gehen schlafen. Hier oben gibt es keinen Strom, doch dank eigener Quelle haben wir sogar Trinkwasser und einen Waschtrog vor dem Haus. Noch ist es etwas anstrengend, das Geschäft in der Hocke zu erledigen, vor allem mit der Wanderung in den Beinen.

Auch unsere Gruppe geht früh schlafen. Zwischen 20 und 21 Uhr verkriechen sich alle nach und nach in ihren Schlafsäcken. Unsere Freunde schlafen im Zelt, der Guide im Eingangsbereich des Hauses. Er schnarcht so sehr, so dass man meinen könnte, das Haus stürze jeden Moment über uns ein.

3 Uhr: Die Hähne fangen an zu krähen.
3.30 Uhr: Die Dorfbewohner stehen auf.
4.30 Uhr: Auch für uns ist es Zeit, es dringt Gesang zu uns herüber von der Morgenmesse in einer Hütte, die als Kirche dient.
5.30 Uhr: Aufbruch. Es geht bergauf, mit dem Sonnenaufgang im Rücken, durch Dschungel und mannshohes Gras. Wir erreichen eine Hügelkuppe, und da steht er vor uns, erleuchtet vom goldenen Morgenlicht: der majestätische Mount Apo. Hier oben essen wir Frühstück. Unser Träger ist auch mit dabei. Aber wieso eigentlich? Unser Guide kennt ja den Weg, und die Zelte haben wir im Dorf gelassen. Er ist schon wieder am Handy, was hat er so früh zu telefonieren? Wir sollten es noch erfahren.

Wir müssen den gleichen Weg, über den wir gekommen sind, wieder zurück – obwohl es zuerst hiess, wir könnten um den Hügel herum zu unserem nächsten Ziel gelangen. Aber das scheint nun nicht zu gehen, wieso auch immer.

Inmitten von Bananenstauden und Farnbäumen stossen wir auf einen rostfarbenen Tümpel. Das Wasser ist warm wie in einer Badewanne. Eine heisse Quelle, der Vulkan Mount Apo lässt grüssen. Das Bad ist herrlich, meine Badehose hat seither eine etwas andere Farbe.

Auf dem Rückweg marschieren Olivia und ich frisch und munter an der Spitze der Gruppe, aber wir werden zurückgepfiffen. Unser Träger muss die Spitze übernehmen. Wieso denn? Wir kennen ja den Weg zurück.

Jetzt nimmt es mich doch wunder, die langen Diskussionen in den Dörfern, das Umladen des Pferdes, unser Träger ständig am Handy: Was wird da hinter unserem Rücken gespielt? Ich frage unseren Guide auf der Rückfahrt aus.

Das Gebiet, durch das wir gewandert sind, wurde von der philippinischen Regierung zur Gefahrenzone Rot erklärt, da es dort in den letzten Monaten einige Scharmützel zwischen Rebellen und Regierungstruppen gegeben hat. Eine Gruppe von etwa 60 Rebellen hat ihr Lager in den Hügeln hinter unserem Nachtlager aufgeschlagen. Von unserem frühmorgendlichen Aussichtspunkt waren die Rebellen nur etwa 400 Meter entfernt, deshalb mussten wir den gleichen Weg zurück gehen, über den wir gekommen waren. Unser Träger, den wir inzwischen in einem Dorf abgeladen haben, entpuppt sich plötzlich als hohes Tier in der in der Hierarchie der Bergdorfgemeinschaft und scheint auch denselben Status bei den Rebellen zu geniessen. Da wir offenbar unter ständiger Beobachtung standen, musste er auch unsere Gruppe anführen. Durch unseren Guide sowie seinem Kontakt zum «Träger», der in dauerndem Handykontakt zu den Rebellen stand, waren wir absolut sicher. Es geht doch nichts über gute Beziehungen. Doch hätten wir die Wanderung auch gemacht, wenn wir das alles vorher gewusst hätten? Ich weiss nicht.

 

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