Die zweite Insel unserer Hawaii-Reise ist zwar viel kleiner als die erste, doch von überwältigender Schönheit. Und mit gewissen Tieren an ungewöhnlichen Orten.

Von Olivia

Traumhafte Buchten mit goldenem Sand, eingebettet zwischen imposanten grünen Bergen mit tosenden Wasserfällen. Das ist Kauai, wie wir es aus zahlreichen Filmen kennen. Doch das ist nicht der erste Eindruck, den die Bilderbuchinsel uns bietet nach der Ankunft aus Big Island. Ein kleines Tier mit rotem Kamm stellt sich selbstbewusst in den Mittelpunkt und stolziert, als wäre es das Natürlichste der Welt, quer über Mietwagenparkplatz des Flughafens Lihue. Der Vogel ist bei weitem nicht der einzige seiner Art: Diese Insel, das wird uns schlagartig klar, wird von Hühnern regiert. Hühner auf der Strasse, am Strand, beim Shoppingcenter und sogar vor dem Kentucky Fried Chicken (KFC) – der Poulet-Imbiss ist quasi an der Quelle.

Doch woher zum Geier kommen all die wild lebenden Hühner und Hähne? Nun, einst fegte ein Sturm über die Insel, bei dem viele eingezäunte Vögel die einmalige Chance erhielten, auszubüxen. Und so machten sie es sich auf der Insel gemütlich, praktisch keine natürlichen Feinde weit und breit, und Nahrung en masse. Entsprechend gesund und fit sehen die Tiere aus.

Nicht nur Hühner gibt es auf Kauai in Hülle und Fülle, sondern auch exotische Früchte: Mangos, Papayas, Apfelbananen, Passionsfrüchte und vieles mehr. Lokal gewachsen und reif gepflückt. Entsprechend entzückt waren nach unseren Augen auch unsere Geschmacksnerven. Die besten (und bezahlbaren) Früchte fanden wir auf den Bauernmärkten, den Farmers Markets. Und dazu Brot, richtiges knuspriges Brot! Endlich einmal nicht dieser schwammige Toast, der in den USA immer noch sehr verbreitet ist und sträflicherweise «bread» genannt wird. Doch offenbar kommen immer mehr Leute auf den Geschmack. Am Samstagsmarkt in Lihue jedenfalls war die Warteschlange vor dem Stand der Midnight Bear Bakery stets mindestens 20 Leute lang, trotz effizienter Verkäuferin.

Der Grand Canyon des Pazifiks

Kauai wird auch «die Garteninsel» genannt. Der Name kommt nicht von ungefähr. Das Eiland besteht aus lauter grünen, zerfurchten Bergen – Vulkangestein, das in rund 6 Millionen Jahren abgetragen und üppig überwachsen wurde –, fruchtbaren Talböden und Küsten mit goldenen Stränden und schwarzem Vulkanstein. Im Kontrast dazu steht das intensive Rotbraun in Form von Stein und Erde, der legendäre Red Dirt. Weil der kaum auswaschbare Flecken auf Kleidern erzeugt, haben findige Köpfe begonnen, T-Shirts gleich komplett mit diesem hartnäckigen Dreck zu färben und als Souvenirs zu verkaufen, als «Red Dirt T-Shirts». Und Unterkunftsbesitzer bitten die Touristen flehentlich darum, ihre vor Red Dirt strotzenden Schuhe vor der Aussentür zu parkieren.

Viel von dem Rot gibt es auch im Waimea Canyon, optisch die kleine Schwester des Grand Canyon in Arizona, wenn auch mit mehr Vegetation. Obwohl die hawaiianische Version «nur» 16 Kilometer lang ist – ein 28stel der Festland-Version –, bekommt man auch hier das Gefühl, wie klein man als Mensch eigentlich ist.
Die steile, kurvige Strasse am Rande des Waimea Canyon führt zu einem der nassesten Orte der Welt: dem Mount Wai’ale’ale («überlaufendes Wasser» auf Hawaiianisch). Doch bei unserem Besuch strahlte dort die Sonne, und wir erhaschten einen der seltenen klaren Blicke ins üppig grüne Kalalau Valley. Das war ganz anders bei unserem letzten Besuch vor sieben Jahren, als wir vom Regen durchtränkt wurden (eben: Wai’ale’ale).

Im Gegensatz zu uns war Linda überhaupt nicht beeindruckt von den hohen Klippen und dem holprigen, steilen Pfad auf dem Berggrat. Deshalb waren wir stets auf der Hut, damit sie nicht zu nahe an den Abgrund geriet. Doch sie kletterte über den Weg, als wäre sie ein junges Reh. Dass sie auf der Rückfahrt herrlich schlief, war dann doch Beweis genug, dass die Kurzwanderung anstrengend war.

Das Kalalau Valley sowie andere atemberaubende Täler und Felslöcher sahen wir etwas später auch von der Meerseite aus. Per Katamaran ging es an die Na Pali Coast, wie die Nordwestküste von Kauai heisst. Erst eine Viertelstunde waren wir auf See, da begrüsste uns wenige Hundert Meter entfernt ein springender Buckelwal. Und kurz darauf eine Gruppe von mehr als zehn Delfinen – genau als wir drei an den beiden Spitzen des Katamarans standen. So sahen wir die Tiere teils aus höchstens zwei Meter Entfernung und konnten ihre kühnen Sprünge aus nächster Nähe bestaunen.

Im wunderschönen Norden Kauais liegt auch das herzige Küstendorf Hanalei: landeinwärts breiten sich fruchtbare Taro-Felder aus, dahinter türmen sich die schroffen grünen Berge. In die perfekt halbmondförmige Hanalei-Bucht fliesst der Hanalei River, über den eine einspurige Brücke führt. Sie ist der einzige Strassenzugang zum Dorf, und immer wieder kommt es wegen ihrer Einspurigkeit zu Staus. Wenn es Überschwemmungen gibt, ist sie unpassierbar, dann ist Hanalei von der restlichen Insel abgeschnitten. 2003 wurde die Brücke von den Fluten mitgerissen. Und was baute man an dieser Stelle? Eine exakte Kopie der alten Brücke von 1912 – einspurig. Tradition muss sein. So staut sich der Verkehr fröhlich weiter. (Wenigstens kann man im Stau die Taro-Felder und die gelegentlich durchwatschelnden Nene-Gänse bestaunen.)

Als Höflichkeitsregel gilt übrigens: Haben fünf bis sieben Autos die Brücke passiert, ist die Gegenrichtung dran mit derselben Anzahl. Fahren mehr drüber, zeigen wartende Autofahrer anklagend mit dem Finger auf das achte oder neunte Auto (ein zehntes wird eher selten beobachtet, und wenn doch, dann muss sich die Person am Steuer ganz warm anziehen – oder sich vor den bösen Blicken und Zeigefingern ducken). Die soziale Kontrolle funktioniert hier.

Das Surfbrett als Tisch

Den Hanalei’schen Stau haben wir uns immer und immer wieder angetan, weil wir so angetan waren von der Region Hanalei. Kommt man dort an, sinkt alsbald der Puls, man schaltet einige Gänge herunter. Die Gegend hat etwas Beruhigendes. Dass die Uhren dort langsamer ticken, merkten wir auch beim Essen: In drei verschiedenen Take-away-Buden erhielten wir jeweils nach mindestens einer halben Stunde die lang ersehnte Nahrung. Easy-going in der Küche – oder vielleicht musste der Koch noch ein Huhn da draussen jagen gehen.Einmal verspeisten wir am goldenen St

rand der Hanalei Bay genüsslich die Riesenpizza auf unserem Miet-Surfbrett, das als Tisch herhalten musste. Hawaiian Style! Nach dieser Zweckentfremdung durfte sich das Brett wieder seiner Bestimmung zuwenden: dem Surfen. Pizzakrümel abgewischt, und ab ins Wasser! Diesmal waren die küstennahen Wellen uns Fast-Anfängern besser gesinnt als auf Big Island. Und weiter draussen, in den furchteinflössenden Profiwellen, surfte gekonnt der Vater einer deutsch-israelischen Familie, die mit uns den Tag am Strand verbrachte.

Mit den zwei kleinen Kindern der Familie spielte Linda dort den ganzen Tag. Es tat ihr gut, mal nicht nur die Eltern um sich herum zu haben. Überhaupt kamen wir als Familie oft schneller in Kontakt mit anderen Leuten als früher ohne Kind. Zudem lernte Linda schnell ein paar Brocken Englisch aus unseren Gesprächen.

Weil wir gut zwei Wochen auf Kauai verbrachten, hatten wir Zeit, viele weitere Strände zu besuchen: einige fast unberührt und mit Flüssen, in denen Linda auch ohne Wellen baden konnte; andere waren touristische Strände, an denen, umgeben von Leuten, einfach Mönchsrobben herumlagen. Lifeguards zäunten einige Tiere ein, damit die Badetouristen ihnen nicht zu nahe kamen. Passierte es dennoch, schallte es sofort aus dem Lautsprecher des Lifeguard-Kontrollturms: «Stay AWAY from the seals!»

Und jetzt der Atlantikstrand

Genug Strand gehabt? Nein. Auf der Rückreise in die Schweiz legten wir einen viertägigen Zwischenhalt in Miami Beach ein. Weder wollten wir uns zwei Langstreckenflüge hintereinander antun, noch die elfstündige Zeitverschiebung zwischen Hawaii und der Schweiz auf einmal abbauen müssen. So wurden wir die ersten fünf Stunden Zeitdifferenz in Miami los, wo wir nochmals die Wärme genossen. In den nördlicheren Teilen der US-Ostküste soll es ja ziemlich garstig gewesen sein.

Immer warm hatten wir es trotzdem nicht in unseren Ferien. Viele Supermärkte waren derart heruntergekühlt, dass wir deswegen eigens einen Sack mit warmen Kleidern im Kofferraum des Mietautos lagerten. Und in den Läden fluchten, wie stark klimatisiert es wieder sei. Beim Aussteigen aus dem Flugzeug in Zürich sagte Linda konsequenterweise: «Da ist es viel zu stark klimatisiert!» Und wir: «Ähm, Linda, das ist der Schweizer Winter.»

Hier geht es zum zweiten Fotoalbum unserer Hawaii-Reise 2018. (Wir bitten um Verständnis, dass wir keine Fotos unserer Tochter online stellen. Sie soll später selber entscheiden können, was von ihr ins Internet wandert.)

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